ALIEN 

Meine Mutter sagte immer:  

Durch dich wird alles noch viel schlimmer.  

Ich sollte so gut wie immer drinnen bleiben, während die anderern Kinder draußen spielten. Aber irgendwann mußte ich doch auch mal länger raus.

Dann durfte ich das eines Tages und die andereren Kinder schauten komisch. Aber manche waren interessiert und mochten mich.  

“Und pass auf das dir beim Spielen nicht die Mütze abfällt!” sagte meine Mutter jedesmal eindringlich zu mir, bevor ich raus rannte. Aber sie wissen ja, wie Kinder so sind. Na ja, eines Tages ist es dann eben doch passiert. Natürlich haben alle geguckt und gelacht und gedacht: Was für eine lustige Verkleidung. Und ein Kind fragte: “ Was ist denn mit deinem Kopf los?”  

Ich lief schnell nach Hause.  

Dann kam der Schock: Aus Scham verließ meine Mama zusammen mit dem Wesen, mit dem sie sich eingelassen hatte, diesen Planeten und sie ließen mich einfach zurück!  

Einige wenige Erdlinge nahmen sich in der Folgezeit meiner an. Sie kümmerten sich um mich und hielten mich am Leben. Und das, obwohl sie die Wahrheit kannten und wußten, das mein Vater ein Alien ist. Oft weinte ich in Ihren Armen und lernte diese Menschen zu lieben, so wie ich auch ihre Liebe empfing. Und doch lebte ich sehr zurückgezogen und malte mir in meiner Fantasie aus, wie es wäre, auf dem anderen Planeten und mit meinen Eltern zu leben. Da ich viel allein war erfand ich viele Geschichten und auch Lieder.  

Durch das Immeralleinsein wurde ich noch komischer. Ich wollte aber auch dazugehören, zur menschlichen Gesellschaft, zur Erdgesellschaft. Auf Dauer war das kein Leben so, ich wurde älter und schon langsam erwachsen. Ich mußte ja auch einen Beruf ausüben, irgend etwas tun.  

Meine wenigen Freunde rieten mir: Tu es, geh an und in die Öffentlichkeit! Und ich tat das auf meine Weise und stand meinen Mann, genauer: Ich stand mein Wesen. Ich hatte Erfolg in und durch meinen ungewöhnlichen Beruf, welcher sich für mich wie von selbst ergab: Ich wurde Musiker. Popmusiker. Das ist eigentlich gar kein Beruf, hier sind alle Skurrilitäten erlaubt. Ja, es gehört sogar zum Popbusiness, nicht normal zu sein. Das passte, denn die Bühne ist ein besonderer Platz. Da geht schon einiges durch und die Leute denken: Na ja, es ist ja nicht echt.  

Ich war froh, soweit gekommen zu sein, doch etwas fehlte. Ich fühlte mich beim Einschlafen einsam. Oft weinte ich dann und sehnte mich nach - nach einer Frau. Ja, ich war doch auch auf der Erde geboren.  

Und wieder rieten mir meine engsten Vertrauten: Ja, tu es. Geh raus, versuche es und öffne dich, auch du findest eine Frau!  

Ich fragte mich: Darf ich das? Zögernd stimmte ich innerlich schon zu und dachte: Darf es sein, darf und kann ich eine Frau finden? Und zwar eine, der ich die Wahrheit sage, die mich dennoch mag? Die mich dann eines Tages sogar liebt? Und wie soll ich denn überhaupt vorgehen? Ich hatte keine Erfahrung damit. Ich war ein Bühnenstar. Würde meine ganze Karriere zusammenbrechen? Was sollte ich bloß tun. Ich, 28 Jahre alt und ein Sonderling, der noch nie eine Freundin hatte. Niemand würde vermuten, das ich auf dem Gebiet null Erfahrung hatte. Ich war doch kaum im nomalen Alltagsleben unterwegs.  

Dann kam mir folgende Idee. Naja, dass wird sie jetzt nicht wundern: Ich schrieb ein Lied. Und darin verpackte ich meine Wünsche und meine Sehnsucht. Alles stand im Text, die ganze Wahrheit. Künstlerisch verpackt zwar, aber ich textete doch ziemlich direkt. Viele Blätter Papier waren nass von meinen Tränen. Dann war der Text fertig, Die Melodie war mir sowieso gleich dazu eingefallen und kaum saß ich am Instrument, da stand auch schon die Begleitung.  

Mein Produzent las den Text und schaute mich dann sehr lange und ernst an. Dann tat er etwas zum erstenmal: Er stand auf und nahm mich in die Arme. Er rang um Fassung und sagte: “Das, das kannst du, das können wir so nicht bringen.” Dann kullerten ihm Tränen über die Wangen und er sagte: “Vergiss, was ich eben gesagt habe. Wir machen das. Und zwar ganz genauso, wie du es geschrieben hast.”  

Der Song wurde der Hammer, allein die Melodie war ja schon von Weltklasse. Sie war so passend ergreifend und schön, das später auch instrumentale Versionen für große Orchester arrangiert und aufgenommen wurden.  

Aber der Reihe nach: Der Titel stieg auf Patz 1 in Deutschland und auf die vordersten Chartplätze in 17 Ländern. Für das Ausland produzierten wir eine Version mit englischem Text. Es war grandios, ich wurde steinreich und sehr berühmt.  

So, nun kennen Sie meine Geschichte, zum Glück aber nicht meinen Namen, unter dem ich als Popstar bekannt bin oder war. Seit einigen Jahren habe ich mich aus dem Pop Music Business zurückgezogen. Oh, sie fragen, ob ich eine Partnerin habe? Ich bedanke mich für das Interesse aber das werde ich hier nicht äußern - um meine Frau und meine Kinder zu schützen. Wie dumm von mir, das zu erwähnen. Ich sag Ihnen dies: Die ganze Geschichte ist nur erfunden. Es gibt natürlich keine Aliens, die unauffällig auf dem Planeten Erde leben.  

Copyright Francesco Slowdown - Alle Rechte vorbehalten - Revised 12.12.2021